Der Lauf
Die ersten
5km:
Auf der Dorfstrasse ging
es natürlich schon leicht aufwärts. Erst kurz vor dem
Ortsausgang ging es kurz bergab. Dadurch wurde mein Atem
etwas ruhiger. Aber es dauerte nicht lange, da ging es
hinauf in Richtung des Wurzenbords. Noch eher als bei
den Trainingsläufen musste ich vom langsamen Laufen in
ein schnelles Gehen wechseln...
Nach dieser ersten
Steigung ging es aus dem Wald hinaus auf die Almwiese.
Die Sonne begann bereits hier störend ihre Arbeit. Außerdem
spürte ich die Spitzenläufer des 2. Blocks hinter mir
näher kommen. Es ging quer über die im Winter optimal
breite Skipiste zum ersten Verpflegungsstand. Wie uns
Birgit empfohlen hatte, wurde bereits hier Wasser
getrunken und über den Körper geschüttet. Welch eine
Überraschung: Hier hoch oben über dem Dorf Bettmeralp
standen die ersten Zuschauer und feuerten uns lautstark
an. Der Weg war mittlerweile sehr schmal geworden.
Überholvorgänge an dieser Stelle waren sehr gefährlich,
weil der Weg nicht nur sehr schmal, sondern gespickt war
mit Steinen und Felsbrocken, über die man wie ein Reh
bergab und bergauf springen musste und weil man
mittlerweile weit oberhalb des Bettmersees nach links
leicht den steilen Abhang herunterfliegen konnte.
Die zweiten
5km:
Ab und zu wurde es
matschig oder es gab nasse, rutschige Gesteinsbrocken
auf dem Weg, weil das Schmelzwasser sich natürlich auch
einen Weg bergab suchen und nehmen musste.
Kurz vor Kilometer 7
stand Ute mit vielen Zuschauern, die schnell nach dem
Start in Bettmeralp hier hoch gelaufen waren. Kilometer 7
bedeutet bei einem normalen Halbmarathon, das ein
Drittel geschafft ist. Hier kann man nur von einem
winzigen Bruchteil der Strapazen sprechen.
Es ging leicht aufwärts
auf einer Wiese, wo die, die unbedingt schneller laufen
wollten, dies auch leicht machen konnten. Ich wusste
durch die Trainingsläufe genau, das der, der sich hier
verausgabt, an den extremen Steigungen keine
Reserven mehr hat. Außerdem: Bei einem normalen
Marathon/Halbmarathon auf ebener Strasse kann man sich
total verausgaben und "leicht taumelnd" sich weiter
vorwärts bewegen. Da kann nicht viel passieren. Aber
hier kann das schnell zu einem Sturz oder Absturz mit
schweren Verletzungen führen.
Es kam der Ort Riederalp
in Sicht. Schön wäre es gewesen, wenn wir die Höhe
gehalten hätten. Aber es ging kontinuierlich weiter
abwärts, bis wir in Reichweite eines Golfplatzes in Höhe
einiger Häuser von Riederalp ankamen.
Die dritten
5km:
Hier bei Kilometer
10 konnten wir wieder auftanken und uns von außen mit kaltem
Wasser abkühlen. Aber nun ging es auch wieder aufwärts.
100 Höhenmeter auf einem weniger als 1 Kilometer langen
Almweg hinauf zur Villa Cassel, wo schon der alte
Churchill in Ruhe Urlaub machen wollte, aber sich mit den
Bergbauern wegen der Kuh-Glocken anlegte.
Es ging nur im
Schneckentempo aufwärts. Nur wenige konnten hier noch
laufen. Und wenn, dann waren sie kaum schneller als die,
die sich schnell gehend die Hände auf den Oberschenkeln
abstützend oder die Hände hin und her bewegend, als wenn
man sich an einem Seil hochziehen möchte, auch oben
ankamen. Oben an der Villa Cassel wurden wir wieder von
vielen Zuschauern lautstark empfangen. Nicht nur wegen
der einmaligen Aussicht auf den Simplonpass, auf die
4-Tausender und auf die Massaschlucht standen hier die
Menschen, nein man konnte die sich quälenden Athleten in
wenigen Metern Abstand nach ca. 4 Kilometern Laufen um
das Riederhorn herum ein zweites Mal bewundern und/oder
antreiben. Diese Runde um das Riederhorn bot demjenigen,
der rechts und links des schmalen Weges seine Blicke
schweifen ließ, phantastische Aussichten und Anblicke.
Es ging unterm Strich nur einige Höhenmeter rauf und
runter. Die Bäume spendeten viel Schatten. Eine
willkommene Erholungsphase nach dem steilen Anstieg.
Völlig ausgepowert durfte man wegen der Gefahren
allerdings hier nicht sein Tempo machen und versuchen
Zeit wieder gut zu machen.
Zum Schluss der Runde
ging es ein paar Meter mehr bergaufwärts und plötzlich
tauchte vor einem wieder diese herrlich gelegene Villa
Caßel auf. Kaum hatte man sie umlaufen, geht es über
einen steinigen Wirtschaftsweg zur
15km-Verpflegungsstelle. Auch hier war die Auswahl an
Getränken und fester Nahrung vorbildlich. Meine Wahl
fiel auf Wasser für die äußere Anwendung und ein Becher
mit einem Iso-Getränk für die innere Stärkung.
Die vierten
5km und der Rest:
Es ging auf einem
breiten Weg stramm nach oben. Für denjenigen, der in
möglichst kurzer Zeit oben ankommen wollten, war jetzt
jeder Spaß vorbei. Schön breit mit viel Platz zum
Überholen ging es relativ ungefährlich fast ständig
bergauf. Im Winter eine sehr schön zu fahrende lange, breite Piste.
Bei dieser Veranstaltung war nun die Aktivierung der
hoffentlich noch gut gefüllten Energiespeicher nötig.
Von der Riederfurka auf
2065m bei Lauf-Kilometer 15 bis zu Laufkilometer 18 auf
2335m Höhe waren 270 Höhenmeter zu schaffen. Oben
angekommen hätte man während der hier empfohlenen
Nahrungsaufnahme die herrliche Aussicht auf den längsten
Gletscher der Alpen, den großen Aletschgletscher
genießen können und mit der hier aufgebauten
Moosfluh-Seilbahn bequem wieder nach unten in die
"Zivilisation" fahren können. Aber nein! Ein nicht
endender Strom von Läuferinnen und Läufern hatte nichts
anderes mehr im Kopf als wieder ca. 70 m bergab über
schmale Pfade mit vielen, vielen hervorstehenden
Felsbrocken zu laufen und zu springen um dann ca. bei
Kilometer 19 noch einmal gestärkt und trotzdem teilweise
am Ende der Kräfte über 300m nach oben zur Bergstation
der Bettmerhorn-Seilbahn zu laufen und zu klettern. Von
laufen kann hier eigentlich keine Rede mehr sein. Über
lose Gesteinsbrocken, auf Felsplatten, die zu Stufen
aneinander gereiht wurden, versuchte jeder weiter nach
oben zu krakseln. So wie ich mussten viele jeweils nach
ein paar Metern stehen bleiben und nach Luft ringen. Der
Puls raste bestimmt im Max-Bereich. Nicht einmal schaute
ich auf meinen Lauf-Computer. Ich wollte es auch gar
nicht wissen. Das man dem Ziel dann doch näher kam, merkte
man an den immer mehr werdenden "Schaulustigen", von
denen ein Teil überhaupt nicht verstehen konnte, warum man
sich freiwillig so quälen kann. Vielleicht wollten auch
viele "Passive" den mit schmerzverzerrtem Gesicht
aufstrebenden Einzelkämpfern helfen, aber diese wollten und
konnten keine Hilfe annehmen. Jeder wollte das bereits
sichtbare Ziel aus eigener Kraft erreichen, auch wenn es
wie bei mir jeweils 18 Minuten dauerte, bis 1km
geschafft war. Und wer glaubte, durch nun vorhandenen
Schneefelder ging es irgendwie besser, weil kühler oder
so, der hatte sich geirrt (ich zumindest). Vollkommen
instinktiv drückte ich wenigstens an jedem
Kilometerschild die Rundentaste, so dass für die letzten
95m nach der 21km-Marke 1Minute und 21 Sekunden
gespeichert wurden.
|
|

Kurz vor dem
Ziel: Ich stehe im Stau. Gleich geht´s wieder weiter...
Foto:
Ute Szardien
km |
Zeit |
Puls |
01.000 |
05:40 |
160 |
02.000 |
05:18 |
165 |
03.000 |
06:03 |
156 |
04.000 |
07:39 |
155 |
05.000 |
04:40 |
156 |
06.000 |
05:01 |
165 |
07.000 |
06:06 |
152 |
08.000 |
04:57 |
154 |
09.000 |
04:10 |
151 |
10.000 |
07:16 |
151 |
11.000 |
11:04 |
153 |
12.000 |
05:37 |
148 |
13.000 |
05:51 |
147 |
14.000 |
05:26 |
146 |
15.000 |
08:31 |
146 |
16.000 |
09:55 |
142 |
17.000 |
08:10 |
148 |
18.000 |
10:36 |
145 |
19.000 |
10:07 |
143 |
20.000 |
18:03 |
148 |
21.000 |
18:46 |
142 |
22.000 |
01:21 |
145 |
Ges. |
2:50:28 |
149 |

Im Ziel:
Geschafft!!!!!!
Foto:
www.dein-lauf.de

Der
Ziel-Bereich!
Foto:
Ute Szardien
|
Nach dem Lauf
Im Zielbereich stand
jemand mit einer Kneifzange und wollte bei jedem Finisher an die Laufschuh, um den Zeiterfassungschip,
der nur mit einem Kabelbinder befestigt sein sollte,
einzusammeln. Mein Chip hatte ich wie üblich zur
Sicherheit mit beiden Schnürsenkelenden an einem Schuh
befestigt. Nach dem Entfernen des Chips auf einer
Sitzbank ging es weiter zum Empfang der Auszeichnung:
Eine schwarze Regenjacke mit zwei unterschiedlichen
Säckchen zur Aufbewahrung der Jacke. Ein schönes, gut zu
gebrauchendes Geschenk! Weiter ging es zum Getränkestand.
Zur Stärkung probierte ich nacheinander alles, was
angeboten wurde: Wasser, warme Brühe, Iso-Getränk,
Sprudel.
Zwischendurch ging es zu einem weiteren Stand, an dem
sich eine kleine Menschen-Schlange gebildet hatte. Hier
gab es Apfel- , Apfelsinen- und Bananen-Stücke sowie
Bircher-Müsli, verschiedene Joghurts in kleineren
Bechern und Gebäck (kleine Schnecken). Ich konnte nicht
anders: Insgesamt stellte ich mich zweimal hier an. Bei
dieser optimalen Versorgung erholte ich mich rasch.
Anderen ging es im Ziel nicht so gut: Dazu zählten die,
die unterwegs gestürzt waren. Zu erkennen waren diese an
blutverschmierten Hemden, verschrammten Gesichtern,
Verbänden an den Beinen oder "nur" dreckigen Laufshirts
(besonders häufig hier die Rückseite). Wenn jemand beim
Laufen vom schmalen Weg abgekommen war, endete dies im
günstigsten nur in einem "Abrollen" ohne sich zu
verletzen. Aber die vielen Steine auf dem Weg sind hart
und geben nicht nach. Da gibt es immer Blutverlust.
Im Zielbereich traf man
immer mehr Mitteilnehmer der
Halbmarathon-Trainingswoche. Die meisten waren zufrieden
mit ihrem erreichten. Es gab aber auch Enttäuschung...
Nach dieser herrlichen
Stärkung an den Versorgungs-Ständen ging es weiter in eine Ecke der
Seilbahn-Bergstation. Dorthin hatte man die persönlichen
Sachen der Marathon-Teilnehmer in einfachen Holzkisten
durchnummeriert von 1-xx von dem Bettmeralp-Startbereich
mit den Gondeln der Seilbahn hoch geschafft. So konnte
sich jeder umziehen und/oder gegen die Kälte hier oben
schützen.
Ich nahm auch mir meine
Sachen. Nach einem kurzen Fußmarsch zum
Aletschgletscher-Aussichtspunkt fuhren wir mit der
Seilbahn wieder nach Bettmeralp, wo ich nicht mehr
anders konnte, als mit meinen kompletten Laufsachen ein
Bad in dem herrlich gelegenen Bergsee nehmen musste. So
abgekühlt ging es in den nassen Klamotten durch den Ort
direkt zum Chalet und hier schnell unter die Dusche.
Wenig später hatte auch draußen jemand die Dusche
angemacht: Es schüttete wie aus Kübeln. Ein Unwetter,
wie es hier in den Bergen immer sehr schnell wie aus dem
Nichts loslegen kann. Wenn das Unwetter ein paar Stunden
früher gekommen wäre, es wäre da oben auf dem Berg sehr
dreckig gegangen...
|
|
Zum guten Schluss
Erst eine
Warnung:
Dies ist
keine normale Laufveranstaltung. Wer hier laufen will,
der sollte Erfahrungen mit normalen Laufveranstaltungen
haben, aber auch genügend Zeit in den Bergen verbracht
haben. Wer hier am Ende seiner Kräfte ist, der kann
nicht so einfach mit dem "Besenwagen" aufgelesen werden.
Die "dünnere Luft", die steilen Anstiege, die
Beschaffenheit der Wege sowie das unberechenbare Wetter
in den Bergen machen diesen Lauf zu einem gefährlichen
Abenteuer!
Jeder, der
wie ich unbeschadet und zufrieden das Ziel erreicht,
wird diese Veranstaltung weiterempfehlen. Die ständig
steigenden Teilnehmerzahlen bestätigen, das die
Veranstalter alles richtig machen. Hoffentlich wird hier
niemals eine ähnliche Katastrophe passieren, wie fast
zum gleichen Zeitpunkt in diesem Jahr beim Zugspitzlauf.

Der
Streckenverlauf
Quelle:
www.aletsch-halbmarathon.ch
|
|

Stunden
später zurück in Bettmeralp. Es schüttet wie aus Kübeln.
Glück gehabt!
Foto:
Siegfried Szardien

Nach dem Lauf durfte
ich
wieder "sündigen".
Foto:
Siegfried Szardien
|